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Allein sein - warum fällt uns das sooo schwer?

Geht es Euch auch so? Allein sein, richtig allein, fällt manchmal ganz schön schwer.

 

 

Ich spreche hier natürlich nicht davon, mal ne Stunde allein zu Hause zu sein bis der Partner heimkommt...

 

Ist Euch das überhaupt schon einmal aufgefallen? Ist Euch dabei auch aufgefallen, was für Techniken wir entwickeln, die Einsamkeit dann auszublenden bzw. von ihr abzulenken? Warum machen wir das? Dabei haben wir doch alle manchmal den Wunsch „jetzt einfach mal für ein paar Stunden oder Tage ganz allein zu sein“. Meistens kommt dieser Wunsch auf, wenn mal wieder „alles zuviel“ ist, wenn alle etwas von einem wollen und man den Eindruck hat, den ganzen Tag über reden permanent mindestens drei Menschen gleichzeitig auf einen ein.

 

Kaum ist die ersehnte Ruhe dann mal da (und sei es nur für ein paar Stunden, weil die Partnerin mit einer Freundin unterwegs ist), tut man alles um nicht allein zu sein: Man schaltet den Fernseher ein um irgendetwas anzuschauen. Man geht allein in den Wald zum joggen und packt sich natürlich Musik auf die Ohren. Man telefoniert oder schaut was es denn Neues auf Facebook gibt. Das Radio wird eingeschaltet, um irgendwie wenigstens Hintergrundgeräusche zu hören. Die Ruhe, die ersehnte Ruhe, wäre sonst nämlich fast unheimlich! Das ist doch ein merkwürdiges Phänomen, findet Ihr nicht?

 

Warum sind wir hin- und hergerissen? Zwischen der Sehnsucht nach Ruhe und zeitweiligem Alleinsein und den fast schon perfektionierten Ausweichmanövern vor eben dieser Ruhe?

 

Ich für mich habe meine Antworten gefunden, zumindest teilweise... Ich würde mich selbst als sehr sozialen Menschen bezeichnen. Als einen Menschen, der gerne mit anderen zusammen ist, sich mit ihnen austauscht und die Nähe von Anderen genießt. Dennoch überkommt auch mich manchmal der Wunsch einfach allein zu sein. Einfach niemandem zuzuhören, mit niemandem zu sprechen und auf niemanden irgendwie Rücksicht nehmen zu müssen. Das klingt im ersten Moment zugegebenermaßen egoistisch... Ich bin aber überzeugt davon, dass Ruhe und Alleinsein nicht nur einem selbst gut tun, sondern DIE Möglichkeit sind, die Akkus im Allgemeinen wieder aufzuladen. Auch um für andere wieder da zu sein. Es ist also wirklich kein Akt aus Egoismus, wenn Du zwei Stunden allein in den Wald gehst (bitte ohne Smartphone ;-) ). Im Gegenteil, es ist ein Akt der Selbst- und Nächstenliebe (oder ein Akt der Aufmerksamkeit sich selbst und anderen gegenüber).

 

Das Alleinsein muss man aber können oder lernen wollen. Schnell wird einen die ersten Male das Gefühl beschleichen, dass „irgendwas fehlt“ und schwupp, schon checkt man mal eben kurz, ob es nichts wirklich Wichtiges in den sozialen Netzwerken gibt. Fühlt sich gleich etwas besser an... Kennt Ihr das? Hand aufs Herz! ;-)

 

Warum nun fällt das Alleinsein in Ruhe so schwer? Ich glaube, weil wir es bei der dauerpräsenten Medienüberflutung nicht mehr kennen, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Gedanken zuzulassen, sie weiter zu denken, sich selbst zu hinterfragen. Das kann schon heftig sein oder gar wehtun. Da ist es leichter, in die Werkzeugkiste mit den Ablenkungstools zu greifen.

Ausserdem wurde uns seit Jahren und von Kindesbeinen an eingebläut, dass Nichtstun nur was für Faule ist. „Die Erfolgreichen sind immer in Bewegung! Von nichts kommt nichts!“ Und wenn Du mal Werbung schaust oder hörst: Dir wird ständig vorgespielt, was Du nicht alles Tolles machen könntest... Und seien wir mal ehrlich: Wenn man am Montag gefragt wird, was man am Wochenende gemacht hat... Wer hat den Mumm zu sagen: „Nichts! Ich war bewusst allein und habe nichts unternommen!“ ?

 

Wenn Du es schließlich doch geschafft hast, das Alleinsein für Dich in Deinem Alltag zu etablieren, ist das sehr befreiend, Kraft spendend und beruhigend. Beruhigend deswegen, weil ich glaube, dass wir alle, wenn wir nicht ab und zu auf die einsame Insel des Alleinseins verschwinden, viel zu viel geistigen und Seelenballast mit uns herumschleppen. Ballast, den Dir niemand abnimmt. Ballast aber, der nach und nach leichter wird, wenn Du selbst rangehst an die Themen, sie aufarbeitest und dadurch vielleicht auch manchmal einfach zu dem Punkt gelangst, an dem Du feststellst, dass dieses oder jenes Thema es einfach nicht mehr Wert ist, täglich dermaßen auf Deinen Schultern zu lasten. Oder im Klartext: Dass Du zu dem Schluss kommst, dass Dir eben dieses Thema ab heute am Hintern vorbei geht. Das hört sich doch schon beim Lesen befreiend an, gib es zu! ;-)

 

Alleinsein heißt für mich im Übrigen nicht zwingend, nichts zu tun. Viele Meditationen, die auf diesem Gedanken basieren, funktionieren jedoch wie oben beschrieben. Während einer Meditation kommt der „aufgeregte“ Geist zur Ruhe, negative Gedanken relativieren sich und das ganze System fährt zwei Gänge runter.

 

Alleinsein bedeutet jedoch in jedem Fall, nichts zu unternehmen, bei dem ich doch wieder von außen oder jemand anderem unterhalten werde. Alleine im positiven Sinne kann ich jedoch durchaus auch bei einem Waldspaziergang sein, beim Üben mit einem Musikinstrument oder Schreiben oder Schwimmen.

 

Versuche es einmal. Selbst wenn es am Anfang schwer fällt. Es wird Dir und Deinen Mitmenschen gut tun...

 

Schreibt mir gerne einmal Eure Gedanken und Eure Alleinsein-Tipps...

 

Steffen