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Ende der Spaßgesellschaft

Corona bereitet der Spaßgesellschaft ein jähes Ende. Was jetzt zählt ist ein nüchterner, ein ernüchterter Pragmatismus.

 

Dieser Satz aus der gestrigen Stuttgarter Zeitung lässt mich aufhorchen. Er ist gut. Er ist richtig. Verdammt reell. Und dennoch würde ich ihn nicht vollumfänglich unterschreiben...

 

Wie geht es Euch da draussen, oder vielmehr da drinnen 😉? Habt Ihr auch auf einmal viel Zeit zum Nachdenken, zur Reflektion? Nutzt Ihr diese Zeit auch? Gut. Aber auch anstrengend, richtig? Ungewohnt! Wir beschäftigen uns mit uns selbst, mit unserem Partner, mit den Kindern. Hätte das nicht der Normalzustand sein müssen - vor Corona? Ist es nicht erstrebenswert, diesen Zustand zu erhalten - über Corona hinaus?

 

Die Stuttgarter Zeitung schreibt: Am 20. Januar 2020 verschickte die WHO ihren ersten Report zum Thema Corona. In der ARD lief an jenem Tag ein Handballspiel, SAT 1 sendete zur selben Zeit  "Nobody´s perfect- das Nacktexperiment", bei RTL lief "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" ... Der albtraumhafte Alltag von heute wäre den meisten an jenem 20. Januar wie ein Science-Fiction-Film vorgekommen. 

 

Am 24. Februar gab es weltweit bereits fast 80.000 Erkrankte und 2595 Tote. In Deutschland, damals in der WHO-Statistik noch unauffällig, wurde der Rosenmontag gefeiert: Millionen närrische Menschen auf den Straßen, dichtes Gedränge. Danach fuhren viele erst einmal zum Skifahren. Zum Beispiel nach Ischgl. Im "KItzloch" dem angesagtesten Hotspot fürs Apres Ski gab es die Gaudi nach der letzten Abfahrt - woanders wurde bereits ums Überleben gekämpft. Starben Tausende an einem Virus der nur wenige Wochen später den kompletten Globus im Würgegriff halten sollte.

 

Inzwischen ist uns allen gehörig der Spaß vergangen. Sämtliche Locations die unserer Bespaßung, Berieselung und Ablenkung dien(t)en sind geschlossen. 

 

Das derzeit gefühlte Ende der Spaßgesellschaft bedeutet nicht, einen Schlussstrich zu ziehen unter jede Art von Vergnügtheit, zumal diese vielleicht gerade in Situationen wie der aktuellen hilft,  die soziale Distanz und die schiere Furcht vor Ansteckung besser zu überstehen.

 

Aber: Sich auch über unser oft oberflächliches, schon vergnügungsSÜCHTIGES, hektisch-peinliches Rennen durch das ganze Jahr, ja das ganze Leben gerade jetzt nachzudenken lohnt sich.

 

"Das seelische Elend vieler Menschen rühre einzig davon, nicht ruhig in einem Zimmer bleiben zu können."  wird der französische Schriftsteller Blaise Pascal zitiert. Sein Zitat ist ca 350 Jahre alt - wie brutal es auf unser Heute passt, wird uns derzeit bewusst.  Blaise sagte sinngemäß: "Die Menschen nennen es Zerstreuung. Das ist eine seltsame Manier, die Menschen glücklich machen zu wollen. Was könnte man Besseres tun, um sie letztlich unglücklich zu machen? Viele glauben allen Ernstes, sie suchten Entspannung - und suchen in Wirklichkeit nur die rastlose Bewegung."

 

Der starke Bericht in der Zeitung endet sinngemäß (von mir ergänzt) mit den Sätzen: Mit der Seuche sind ernste Zeiten über uns hereingebrochen - Zeiten, die eine neue Ernsthaftigkeit erfordern. Die absolute Maxime, alles und jedes müsse mit Spaß verbunden sein, weicht schmerzhaft einer Ungewissheit, die alles und jeden betrifft. Dem Hedonismus wird gerade der Boden unter den Flipflops weggezogen.

 

Was wir bisher so gerne als Spaß offeriert haben, ist eben nicht die einzige Art, Glück zu erleben. 

 

Glück bedeutet in solchen Zeiten ganz simpel, selbst gesund zu bleiben, Freunde und Familie wohlauf zu wissen und die eigene Arbeit zu behalten. 

 

Lasst uns die unerwartet viele Zeit nutzen, auch und gerade darüber nachzudenken.

 

Corona wird es nicht schaffen, uns unsere Fröhlichkeit und Unbeschwertheit oder unser Lachen zu nehmen. Aber vielleicht schaffen wir es durch die Krise, gestärkt und weniger süchtig nach hohler Zerstreuung in die Zukunft zu steuern!?

 

Bleibt gesund!

 

Steffen am

29. März 2020